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[DE] PDM Systeme: Wer braucht das und warum?

PDM Systeme: Wer braucht das und warum?

PDM steht für Product Data Management.

Der Daseinszweck eines PDM Systems ist es, die Quelle der Wahrheit zu sein für die “Blaupausen”, die genau beschreiben, wie ein Produkt herzustellen ist, oder anders ausgedrückt: Es enthält das genaue Rezept.

Dadurch werden unbeabsichtigte Änderungen, auch durch nicht berechtigte Personen ausgeschlossen (Einkauf: „Hey, lasst uns diese günstigere Komponente einkaufen – Ich habe gehört, dass jemand in der Entwicklung sagte: wird schon funktionieren“)

Mit einem PDM System sind Änderungen gut dokumentiert

Der Inhalt (bzw. das „Rezept“) sollte für alle Beteiligten kristallklar sein, unabhängig davon, ob Mitarbeiter das Unternehmen verlassen haben oder gerade erst eingestellt wurden, unabhängig davon, ob eine neue Produktversion verabschiedet wurde, oder ob ein Produkt in verschiedenen Fabriken gefertigt wird. 

Verwendet man diese im PDM freigegebenen Blaupausen, wird in jeder produzierenden Fabrik das exakt gleiche – qualitativ hochwertige Endprodukt vom Band fallen. Unabhängig davon wer die Bauteile einkauft, oder wer das Gerät montiert.

Was speichern wir also in unserem PDM System?

Information über die einzukaufenden Komponenten

Elektronische Standardbauteile

Einschließlich ihrer “AMPL = approved manufacturer part list”  für jede Firmen-Teilenummer (=FTN), lesen Sie dazu einen früheren Artikel meines Blogs

Nicht unbedingt notwendig, aber sehr hilfreich ist eine „PARDO Kategorisierung: Preferred, Acceptable, Restricted, Do not use).  Mehr davon in einem späteren Blogartikel.

Das Ablegen von Hersteller-Datenblättern ist eine häufige Praxis. Es besteht keine Notwendigkeit, zusätzlich ein firmenspezifisches Datenblatt zu erstellen, außer es handelt sich um ein individuell angepasstes Bauteil

Individuell angepasste, oder kundenspezifische Bauteile

Denken Sie an speziell bedruckte Steckverbinder, programmierte Microprozessoren oder abgelängte & gebogene bedrahtete Bauteile.

Das PDM System listet das Standardbauteil und die Art der Individualisierung in einer separaten Beschreibung

Leiterplatten (unbestückt)

Das PDM System speichert die Gerberdaten (notwendig für den Leiterplatten-Hersteller), die Nutzen-Anordnung, Material-Spezifikationen usw.

Die Frage, ob auch der Leiterplatten-Hersteller selbst spezifiziert werden sollte ist Ihnen überlassen, das hängt auch von der Komplexität der Leiterplatte ab.

Kundenspezifische Komponenten

Das sind Komponenten, die von Ihrer Entwicklung entworfen wurden, spezifisch für ihre Firma. Denken Sie an Plastikteile. Die Daten im PDM System enthalten alle Zeichnungen, die der Hersteller braucht, diese Komponente für Sie zu fertigen.

Zusammenbau-Anleitungen

Offensichtlich reicht es nicht aus, die Zutaten zu kennen, Ihre Fertigung muss natürlich auch wissen, wie man sie zu einem verkaufbaren Endprodukt zusammensetzt.

Stücklisten

Entweder eine “flache” Stückliste für das gesamte Gerät, aber besser als Teil-Stücklisten pro Herstellungsschritt gespeichert.

Denken Sie auch an Ihre Varianten! Die Geschichte ist länger, evtl. auch hierzu mal ein getrennter Blog.

Definition der Aufkleber

Gemeint sind hier vor allem die Verpackungsaufkleber, Produktaufkleber, und in weiterem Sinne auch die beigelegte Produktliteratur. Das ist eine wichtige, aber sehr oft unterschätzte Kategorie. Denken Sie z.B. an die rechtlich bindenden ROHS oder CE Zeichen.

Software

Bedeutet: die Software, die in die Microcontroller oder in die nichtflüchtigen Speicher im Gerät programmiert wird. Auch hier ist es Ihre Entscheidung, ob der Software Quellcode im PDM System abgespeichert wird oder in anderen Systemen der Entwicklungsabteilung.

Interessanterweise ist diese Software, gespeichert und freigegeben im PDM System, ein gutes Beispiel, die Produktqualität auf einem akzeptablen Niveau zu halten, insbesondere bei Produkt-Neuanläufen.

Nichts ist so flüchtig und leicht veränderbar wie Software. Es macht einen Unterschied, ob ein Entwicklungsingenieur eine neue Version (hoffentlich mit einer eindeutigen Versionskennung versehen) einfach in die Produktion schicken kann, einen Tag später die nächste Version (aber nur für Variante C…) oder ob sie oder er im PDM System offiziell für die Version 1.0 unterzeichnen muss und dadurch bestätigt: „Diese Version ist nun gut genug für die ersten 10.000 Fertiggeräte“.

Revisionsstände im PDM System

Das sind üblicherweise 3:

„Freigeben“: das ist die aktuelle und für die Fertigung geltende Version

             Es darf nur eine solche Version geben

Die Serienproduktion kann und darf nicht beginnen, bis alle Komponenten / Zusammenbau – Anleitungen / Software in diesem Status vorliegen.

„Vorläufig“ bzw: „In Arbeit“

             Eine neue Version ist in Arbeit, jedoch noch NICHT freigegeben

             Oder: Die erste Version ist noch in Arbeit

„Inaktiv“

             Eine ältere Version, nicht mehr gültig

Änderungen im Inhalt der PDM Dokumente

Gemäß der Natur eines PDM Systems können Änderungen nicht spontan durchgeführt werden. Verschiedene Beteiligte, wie z.B.: Vertreter von Entwicklung, Einkauf und Herstellung müssen die Änderung (elektronisch) abgezeichnet haben, bevor sie in der realen Welt der Fertigungshalle zum Tragen kommt.

Randnotiz: „Entwicklung“ kann bedeuten:  Die ursprüngliche Entwicklungsabteilung, die das Produkt entwickelt hatte, die Sustaining Gruppe, die für Produkte nach Freigabe verantwortlich ist, oder aber die Component & Value Engineering Gruppe, die einen ebenbürtigen Profit generieren kann wie NPI durch Qualifizierung von günstigeren Alternaiven. Ist nicht glaubhaft? Laden Sie mich zu einer Diskussion dazu ein, bzw. haben Sie etwas Geduld bis zu meinem diesbezüglichen Blog-Artikel.

Dauerhafte Änderungen

Das ist der Normalfall. Haben alle Beteiligten auf der Freigabeliste abgezeichnet, gilt die neue Version bis die nächste Version freigegeben wurde.

Zeitlich begrenzte Änderungen

In verzweifelten Zeiten der Bauteileknappheit müssen Sie evtl. Komponenten anderer Hersteller zähneknirschend temporär freigeben, um die Produktion am Laufen zu halten. Diese Freigabe ist dann entweder für einen bestimmten Zeitraum oder eine bestimmte Menge an Komponenten oder Geräten limitiert. Man bezeichnet dies oft als „Abweichung“

Was wird im PDM System NICHT gespeichert

Wie bereits erwähnt, ist es eine individuelle Firmenentscheidung, Quelldaten im PDM System oder in einem anderen R&D System zu speichern, wie z.B. Schaltpläne, Leiterplatten-Quelldaten (wie Mentor oder Altium), mechanischen CAD Daten (CREO), Software-Quellcodes oder Software die Produktaufkleber erstellt.

Was definitiv NICHT in einem PDM System zu finden sein sollte sind Bauteile, die getestet wurden und durchgefallen sind, sowie „Tratsch“ oder „allgemeine Information“ über die Komponenten.

Jedoch sind solche Informationen zuweilen wertvoll, ganz besonders in Zeiten der Materialknappheit. Ich habe Fälle erlebt, bei denen ein Herstellerteil mehrmals über die Jahre immer wieder getestet wurde und immer wieder durchfiel, oder Fälle, in denen ein Herstellerteil nur wegen des höheren Preises nicht zugelassen wurde. Wie verzweifelt wünschten wir uns diese Information zu haben, wenn die Produktion wegen eines Cent-Artikels steht…

Meine persönliche Empfehlung: Legen Sie sich ein Firmen-Wiki zu: Firmen-Teilenummer = Wiki-Artikelüberschrift. Dazu mehr in einem späteren Blogartikel.

Datenflüsse ins PDM-System und vom System

Zuerst der einfache Fall: Datenuploads ins PDM System dürfen niemals in großem Maßstab oder spontan erfolgen. Ausnahme: Ein erstes „Befüllen“ ihres neuen PDM Systems aus den Excel Listen, die Sie seither verwendet hatten.

Der Daten-Export ist eine Funktion, die ihre Unternehmens-Datenaustausch effizienter gestalten kann.

Beispiele:

Export der gesamten “AMPL“ – Liste aller freigegebenen Hersteller-Bauteile versus Ihrer Firmen-Teilenummern:

Firmen-Teilenummer in Spalte A, Herstellerteilenummer(n) in Spalte B. Das kann sehr hilfreich sein, z.B. wenn man alle Distributoren weltweit nach verfügbaren Lagermengen mit einem Mausklick und 5 Minuten Kaffeepause finden möchte, anstatt manuell in einem ganzen Arbeitstag damit zuzubringen. Auch das ist eine längere Geschichte. Fragen Sie mich gerne danach, wie man sein System für solche Automatisierungen fit macht.

Datenexport aller Stücklisten

Stücklisten finden sich üblicherweise in 3 Plätzen:

  1. Im PDM System: „Was die EntwicklerInnen spezifizierten“
  2. ERP System, wie SAP: Welche Komponenten in welchen Mengen bestellt werden für die Produktion von n Fertiggeräten.
  3. Die Bestückmaschine: „Wo die Realität erzeugt wird“

Wenn Sie nicht an die perfekte Welt glauben, in der sich immer alles in Synchronisation befindet, und alle Änderungen fehlerfrei und nahezu zeitlos in alle Ecken des Unternehmens fließen:

Dann mag es eine gute Idee sein, alle Stücklisten von allen Systemen – insbesondere des PDM Systems – regelmäßig zu exportieren und Abweichungen ans Tageslicht zu bringen und zu bereinigen. Natürlich vollautomatisch: Ich habe Fabriken gesehen, die tausende Endgeräte produzieren, basierend auf Millionen Zeilen von Stücklisten.

Als ich noch jung war

Und Entwickler für Neuprodukte, nahm ich PDM Systeme als pure Bürokratie wahr.  Noch heute kann ich motivierte junge Leute gut verstehen, die das Gleiche denken.

Nach 35 Jahren in der Elektronikindustrie hat man aber alles schiefgehen sehen was schiefgehen kann (Wir erinnern uns: Murphy war ein Optimist), habe Leute gesehen, die über die Jahre immer wieder die selben Komponenten qualifizieren wollten, habe das kreative Chaos im Moment des Produkt-Releases erlebt und auch zuweilen mitgeholfen, Tausende von Kartons wieder zu öffnen, um doch nochmal die neuere Softwareversion aufzuspielen.

Meine Antwort ist daher:

„Es gibt nur Eines, das schlimmer ist als ein PDM zu haben:  Keines zu haben“

EntwicklerInnen sagen, sie machen Produkte. Nun, abgesehen von ein paar wenigen Ausnahmen ist das falsch. Die R&D Abteilung erzeugt keine Produkte, sondern lediglich Blaupausen für Andere, die versuchen, diese Blaupausen zu verstehen und damit Jahre oder sogar Jahrzehnte Produkte korrekt herzustellen. Unser aller Gehalt wird nicht von den Blaupausen bezahlt, sondern von möglichst vielen Kunden, die möglichst viele dieser Produkte kaufen

Und hoffentlich ist unsere Firma in der Lage, diese Produkte mit freigegebenen und nach wie vor verfügbaren Komponenten zu fertigen, zusammen mit einer 100% glasklaren Zusammenbau-Anleitung.

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