Zuerst einmal: PPL ist die “Preferred Parts List” oder die Liste aller Firmenteilenummern (=FTN’s), die Sie als EinkäuferIn, als EntwicklerIn oder in der Produktion gerne auch wieder in neuen Stücklisten sehen würden. Umgekehrt gilt dasselbe: Welche Bauteile wollen Sie aus verschiedenen Gründen loswerden?
Hier fragen Sie sich bestimmt: Lohnt es sich, diesen Artikel zu lesen? Was würde es mir und meinem Unternehmen bringen, eine PPL einzuführen? Spoiler: Ja, bestimmt und: Eine konsequent geführte PPL wird Ihnen richtig Zeit und Nerven sparen. In Zeiten von Bauteileknappheit kann sich das in den Prozentbereich ihres jährlichen Einkaufwertes aufsummieren.
Wenn Ihr Unternehmen nur eine Fertigungsstätte hat, mit jeweils nur einer einzigen Firmenteilenummer (=FTN) pro Bauteil: Dann gehören Sie zu den Glücklichen und das Ganze betrifft sie evtl. gar nicht. Überblicken Sie aber mehrere Fertigungsstandorte, haben Sie mehr als einen Entwicklungsstandort, wurden Firmen im Lauf der Jahre zugekauft: Dann kann die PPL ein richtig brauchbares Tool für Sie sein.
Zählen Sie doch mal die Anzahl Ihrer FTN’s für ein paar ganz einfache Bauteile: Den 1Kilo Ohm Widerstand, oder auch den 32KHz Uhrenquarz. Kommen Sie über 2: Bitte weiterlesen.
Mal angenommen, Sie haben 50 verschiedene FTN’s für Uhrenquarze gezählt: Das kann nicht gewollt sein, oder? Die haben sich eben so im Laufe der Jahre angesammelt.
Die spannende Frage ist: „Wie wird man 48 davon wieder los“?
Die Option: „Man müsste mal ein Redesign machen. Bei allen Leiterplatten!“ bleibt Wunschdenken. Aber zumindest für Neuentwicklungen sollten nur noch 1 – 2 – und zwar immer dieselben 1 – 2 der 50 ausgewählt werden. Es wird also eine Auswahlliste benötigt. Und schon sind wir bei der PPL. Ohne die PPL werden sich die Hardware EntwicklerInnen zufällig einen der 50 Quarze aussuchen, es besteht keine Chance, die Anzahl zu verringern. Mit einer konsequent angewandten PPL sollte die Zahl langsam sinken.
Die Vorteile:
- Größeres Einkaufsvolumen bei weniger FTN’s. Besser Preise.
- Einfacherer Austausch von Beständen zwischen Fabriken, insbesondere bei Produktionsstillstand, bei Fertigungsverlagerungen oder Weitergabe von IOS (=Inactive, Overstock, Surplus).
- Einfachere Rüstung der Bestückmaschinen. (Ich habe Rüstungen gesehen, bei denen eine Bestückmaschine mit 4 Feedern gerüstet war, dasselbe Herstellerteil, nur eben 4 verschiedene FTN’s.)
- Es ist der am wenigsten aufwändige, evtl. sogar der einzig gangbare Weg, um redundante FTN’s loszuwerden. Haben Sie einen Richtwert, was die Pflege einer FTN kostet? So 1000 .. 2000USD? Damit werden Einsparungen durch eine PPL berechenbar, Entscheidungen können objektiv getroffen werden.
- Die Verhandlungen mit Herstellern einer Bauteilegruppe werden wesentlich einfacher.
Kriterien, um es als FTN in den Olymp der PPL zu schaffen
Jeder Entwicklungsstandort wird sagen: Standard? Gerne! Solange es die von uns verwendeten FTN’s sind. Eine Einigung auf einen gemeinsamen Standard wird argumentativ und firmenpolitisch wesentlich leichter fallen, wenn man die Kriterien für alle objektiv und nachvollziehbar definiert.
- Oberflächenmontiert, niemals bedrahtet.
- Mindestens 2, besser 3 zugelassene Herstellerteile pro FTN, siehe AMPL
- Ja, Ausnahmen bestätigen diese Regel.
- Nein, die 2. Rollengröße eines Herstellerteiles ist KEINE Zweitlieferquelle
- RoHS III konform plus was immer für Ihre Produkte relevant ist.
- Der Lebenszyklus der Bauteile sollte noch mindestens n Jahre betragen.“n“ bestimmen Sie selbst anhand der typischen Lebensdauer Ihrer Produkte. SiliconExpert hat diese Informationen.
- Der Einkauf muss eine faire Chance haben, die Herstellerteile einzukaufen, d.h. es gibt eine stabile Lieferkette.
- Die Produktion muss das Teil prozess-sicher bestücken können.
- Die Bauteilegröße bei den Passiven (= dem Hühnerfutter) sollte 0402 oder besser kleiner sein. Denken Sie an die MLCC Kondensatorkrise zurück.
- Trifft das alles auf mehrere FTN’s zu, wählt man das Teil mit dem besten Preis, bzw. der höchsten Stückzahl.
Die Steinzeit endete nicht, weil die Steine ausgingen
Und wie wird das durchgesetzt?
- Eine Person im Unternehmen hat die Hoheit über die PPL. Üblicherweise im Component-Engineering.
- NPI Stücklisten werden auch nach PPL validiert. Je mehr Bauteile der Stückliste Teil der PPL sind, desto besser. Definieren Sie eine Mindest-Prozentzahl: 80% sind ein guter Anfang. Drohen Sie nicht mit Ärger, setzen Sie doch mal eine Belohnung für die höchste Dichte an PPL Teilen in einem Design aus.
- Jede existierende FTN muss klar kategorisiert sein: In der PPL oder nicht, zumindest aber „PARDO“ = Preferred, Acceptable, Restricted, DoNotUse, Obsolete
- Die Festlegung für eine FTN = „PPL-Teil oder nicht“ muss so früh als möglich erfolgen, idealerweise bevor das Teil von den LayouterInnen in den Schaltplan gesetzt wird. Danach wird der Widerstand der NPI Leute, es später noch auszutauschen, gegen unendlich gehen.
Übrigens:
Wenn Sie die Pflegekosten einer FTN von ca. 1000USD ernst nehmen: Rechnen Sie doch mal, ob sich:
- Die Anlage von 10 verschiedenen FTN’s für 10 verschieden vom Distributor programmierten Microcontrollern lohnt – oder doch besser im In-Circuit-Test programmieren?
- Die verschieden gelabelten Schraubklemmen evtl intern bedruckt werden können
- Man 2 verschiedene Teilenummern für ein commercial-grade und ein industrial-grade hat. Es kann sich lohnen, oder auch nicht. Mit den Pflegekosten kann man das sauber bestimmen.
Und jetzt:
Anpacken und eine PPL beginnen.
Wie immer: Fragen Sie mich, ich helfe gerne